Jazz - von Jazzer gehört und gesehen. Erlebt und erzählt.

                                        

Vorwort :

Nun, im anderen Kapitel JAZZERS TOP 10 - Erlesene und bedeutsame Musik, auf YT gefunden , vom 01.04.2017 , bringe ich eher einzelne Jazz Stückle. Perlen, die man nie vergisst. Hier nun, können es auch mehrere Stücke sein, eine LP, (das sind die good old Vinyl-Langspielplatten, mit Vorder- und Rückseite), oder ein Konzertausschnitt. Nicht der einzelne "Hit" ist im Vordergrund, sondern der Musiker in Kombination mit meinen Erlebnissen. Und klar : Überschneidungen von eigentlich klaren Trennungen (das gehört hierhin, das gehört dorthin) sind nicht ausgeschlossen, da unvermeidbar.
Noch etwas, Jazz gehört und gesehen war ja eine TV Jazzreihe von Joachim Ernst Berendt, Südwestfunk, von 1955-1972 im ARD gezeigt. In Anlehnung daran meine Überschrift. Ergänzt durch persönlich Erlebtes und durch Geschrieben Erzähltes, zum Angebot der Nachempfindung der erlebten Erzählung. Mit natürlich Gehörtem, denn der Jazzfreund hört Gehörtes und Gesehenes in Erlebtem Erzählen. Alles klar ?!?


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Zum Überblick eine Auflistung. Die Musik in numerischer Reihenfolge. Man muss runterscrollen :

1. Jim Hall : Concierto  2. Yosuke Yamashita Trio Freiburg Audimax  3. Als Miles Davis uns beim Jazzfest Berlin grüßte 4. ..

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1 .

"Übung macht den Meister"

Wenn eine, in vielerlei Hinsicht, für mich wichtige Bezugsperson, irgendwann neben seiner Mutter in der Innenstadt wohnt, Nähe Siegesdenkmal, und Dank Caritas, kann man langsam eine Ahnung bekommen, was damals dort sich so anbahnte, am Friedrichsring. Die Mutter konnte ausgezeichnet Wurstsalat machen, regelmäßig haben wir mit Zustreifenzusäbelnden Lyonerwurstscheiben vorbeigeschaut. "Mä" kümmerte sich geschmackssicher um die Zubereitung. Sie war die Köchin in den Jugendfreizeiten der Gemeinde. Es hat immer geschmeckt ! Dazu gab es immer Bier.
Der Sohn H.R. war, wie angedeutet, Vorbild in fast allem. Heute würde man sagen, Influencer. Aber halt nur für gescheite Sachen. Nun, es ist schneller erzählt als gehört. Eine zeitlang haben wir uns bei ihm getroffen, so vielleicht 5 bis 8 Kollegen, um die ganze Nacht zu debattieren, zu philosophieren, um zuzuhören. Ein erlauchter Zirkel. Irgendwoher tauchte diese blaue LP "Jim Hall Concierto" auf. Ich glaube, nicht von mir, ich kann mich gerne irren. Aufjedenfall hatte ich ein Auge drauf, nachdem die abgespielte LP-Seite immer rumgedreht wurde, dass sie die ganze Nacht rumgedreht wurde. Ich wurde von den anderen Freigeistern unterstützt, es gab keine Diskussionen, zum Glück.
 
So geschah es denn : 4 Stücke der LP, ca. 35 Minuten, mit einer Mammutdiskussionszeit in die Puppen von 17 Uhr bis 3 Uhr,
ist gleich 10 Stunden Musik, macht laut Platon und Honecker, äh..Heidegger ein zwanzigmaliges Hören der Scheibe. Die kleine gute Dualplattenspieleranlage. 40 mal rumdrehen. Nach Hegel. Das fördert die Qualität der Gespräche. Nach Horkheimer. (Das erste Auflegen gilt als erstes rumdrehen!). Nach Adorf.


Nun, die Situation ist beschrieben, eine LP die ganze Nacht. Aber wie steht es mit der Musik ? Hätte eine andere LP auch so gezogen ? NEIN ! Das Concierto von Jim Hall ist eine der Besten Da Capo LPs der Welt. Wenn man nach paar Stunden alle Solis auswendig kann, ist es schon erstaunlich, dass man immer weiterhört. Es hängt einem nicht aus den Ohren raus. Warum ?

Nun, die Musiker sind allesamt ausgezeichnete, begnadete, bekannte Könner. Das CTI Label mit Arrangeur Sebesky  mit seinen oft Orchestereinsprengseln war eine Marke für sich. Hier aber stand das reine Sextett klar im Vordergrund, die Auswahl der Stücke, die geduldige Transformation des klassischen Gitarrenorchesterstücks Concierto de Aranjuez von Rodrigo (Miles Davis hatte auch eine interessante Interpretation) machte die Scheibe Halls Concierto zu einem Meisterwerk.

Also die ersten Takte fällt mir auf : irgendwas am Sound ist komisch für mich. Der satte breite Bass, der Ton der Gitarre, das Schlagzeug kaum hörbar im Hintergrund, Klavierakkordeinsprengsel. Es kommt mir vor, als ob eine solide Handwerkertruppe die Wand zuspachtelt, alles ist dicht gedrängt, die Gipsspeise füllt jede Unebenheit. Wie soll sich da ein Solist entfalten, mit Estrich im Horn ? Da blubbern doch nur Klumpnoten aus Sax und Trompete...Fehlanzeige. Die Solis strahlen, aus dem Fundament entstehen neue Kunstwerke, die sich schon mit der Inneneinrichtung widmen.Und immer atemberaubend sicheres dezentes Interplay der Frontmänner, alles erfahrene Poliers, die auch ohne Architekturstudium eine Stadt zum Glänzen bringen können. Keine Hektik, alles eingespielt.

Musiker :

Steve Gadd, eine Schlagzeug-Koryphäe. Er swingt hier mit dem Ride Becken keine rhythmischen Figuren á la daa-dada-daa-dada-daa-dada-daa mit synkopischen Triolenelementen (also swing rhythmus halt), nein er erzwingt den Swing durch einfache, regelmäßige Viertel-Achtel-Beckenschläge á la da-da-da-da-da-da-da-da. Unglaublich. Hört sich läppisch an, aber swingt ! Er nimmt sich praktisch zurück, zum Wohle der Solisten und wenn es nötig ist, klappert er mit dem Zollstock. Wie er im Hintergrund mit Toms überbrückt, akzentuiert, aufhorchen läßt..Er ..ach Steve Gadd halt.
Paul Desmond Altsaxophon, Chet Baker Trompete, cool, melodisch, phantastisch, Weltklassestürmer. Roland Hanna, gepflegt, bei der Vielzahl der Tasten immer an der richtigen Stelle mit den Fingern.
Ron Carter, wer kennt ihn nicht, Champions League. Jim Hall, liefert hier ein Meisterwerk ab, das sagt alles.    



Also wenn jemand käme, und fragt, würdest Du mir eine halbe Scheibe besten Jazz geben,
ich würde die Platte "Jim Hall - Concierto" auseinanderbrechen und überreichen. *)
 







Tracklist: A1 [00:00] You'd Be So Nice To Come Home To - (Cole Porter)
A2 [07:08] Two's Blues - (Jim Hall)
A3 [11:01] The Answer Is Yes - (Jane Hall)
B [18:45] Concierto De Aranjuez - (Joaquin Rodrigo)


Alto Saxophone – Paul Desmond Bass – Ron Carter Drums – Steve Gadd Guitar – Jim Hall Piano – Roland Hanna Trumpet – Chet Baker


Arranged By – Don Sebesky
Engineer – Rudy Van Gelder Label - CTI Records/King Record
This Album was Recorded: Rudy Van Gelder Studio, Englewood Cliffs, NJ, April 23, 1975



*) neben der LP, hab ich jetzt entdeckt, hab ich auch die CD 😉




                              

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2 .

Dieser..
Beitrag Yamashita Trio ist noch nicht fertig . 

Bei einer Recherche für den Kollegen Wolf, dem begnadeten Kultur-Sommelier aus Duisburg, finde ich auf dem Speicher, mich auf allen Vieren bewegend, Plakatrollen. Inhalt : mehrfach aufgerollte, unikatös anmutende Text- und Bildpapierbogen. Quasi Kulturtransportanten. Versteckte Zeugen essentieller menschlicher musikalischer Höherentwicklung. Die einst die urbane Zivilisation zierten, stellvertretend für die Musik diese ankündigten, somit transzendent zur Schau stellten. .. Ich schweife ab..
Mit jedem Plakat werden Erinnerungen geweckt. Konzertplakate, Jazzfestivalplakate, Joachim-Ernst Berendts Jazzstammbaumplakat (ein Geschenk von Dieterle), Joseph Beuys verfilzte Plakate,  Berliner Jazztageplakate, Museumplakate, Waldseekonzertplakate, Plakat der Dubel-Brothers, usw usf.. 

Auf zwei Plakate konzentriere ich mich :
 
Yosuke Yamashita Trio, Audimax Freiburg,  Konzert 1976 und Konzert 1977 .

Ich hab die mal im Garten auf der Bierbank gelüftet, entrollt und fotographiert.
Mit der legendären Digi-Cam Traveler IS 12, 12.0 Megapixel mit 5-fach Zoom, von 12/2010, 
mit damals gutem Preis-Leistungsverhältnis, exklusiv bei Aldi !
Damit ist der Beweisführung Genüge getan. Die Posterrolle ist auch sichtbar und steht !





Das Konzert 1976, ich denke schon, ich war dort. Also na klar war ich dort, ich erinnere mich nur nicht so genau. Vage an Attila Zoller, im Vorprogramm, ein gepflegt aufspielender Gitarrist... Denn ...
 


...Denn das Konzert 1977 hat alles überstrahl. Durch die Tatsache, dass ein Mitschüler von uns, Wenzinger Gymnasium, das lebende Gesamtkunstwerk, das 1977-er Plakat illustriert, gestilt, designed oder was auch immer gemacht hat. Tristan Pranyko. Durch sein Plakat war das Konzert noch besser als im Jahr zuvor.. 
Jetzt ist er Professor an der Kunsthochschule Berlin, Weißensee. Für experimentelles Gestalten. Also dass er das kann, haben wir vor 44 Jahren schon gesehen. Und Autofahren kann er. Wie kein zweiter.  
(Professor Tristan Pranyko in seinem Jaguar MK II, Berlin)





Auf dem hellen 76-er Plakat, mit der weißen Dame und den Musikern, als grün-rote Horrorfiguren, 
sieht man Werbung für 3 Yamashita Trio Platten, im unteren Bereich :

Clay - 1974 New Jazz Festival Moers
Chiasma - 1975 Heidelberger Jazztage
Distant Thunder - von/mit Manfred Schoof, Liederhalle Stuttgart 1975
 
auf allen drei käuflichen Live-Alben, passend zur Tournee,  ist die Besetzung :

Alto Saxophone Akira Sakata
Drums Takeo Moriyama
Piano Yosuke Yamashita

das heißt,  es gab für unsere Auftritte im Audimax Freiburg anno 1976 und 1977 einen Schlagzeugerwechsel.  
Im Trio beackerte jetzt halt ein gewisser Shota Koyama die Schießbude .. Man muss froh sein, wenn es überhaupt einer macht ..
Dennoch, die Frage sei erlaubt:  Ob das gut geht, statt dem reichlich dokumentierten Drummer, einem Kraftpaket auf dem Plattencover, jetzt ein neuer, offensichtlich jüngerer, unerfahrener, schlacksiger Musiker am Start ?? Die Frage war erlaubt, mußte aber gar nicht beantwortet werden, da Herr Koyama schon ein Jahr zuvor bewiesen hatte, dass er gleichwertiger Kombattant in dem japanischen Trio gewesen war. Die Bedenken waren verjährt..

Jetzt zum Vor-Erlebnis :

Warum gehe ich mit 16 Jahren in ein Free-Jazz Konzert ? Nun, man geht mit den Klassenfreaks mit. Die einen gingen zu "Emerson Lake & Palmer" in die Stadthalle, die anderen zum Jazz ins Audimax. Dazu kam, dass es mir egal war, ob Free oder Dixie, hauptsache Jazz. Das war nicht immer so, für den Anfang, den Beginn der Leidenschaft, zeigte sich ein Klassenkamerad verantwortlich. Er fragte mich, ob ich zu einem guten Rockgitarristen mitgehe. Komischerweise spielte der im Audimax. Ich sagte zu, weil ich geehrt war. Der Rainer war ein Kenner. Er konnte alle Beatles Lieder spielen.
Ich weiß noch genau, mein erstauntes Eintauchen in diese komische, interessante Klangwelt, voll Exotik und Raffinesse, mit klassischer Anmut und virtuosem Gebaren. Eine Ernsthaftigkeit, mit vielschichtiger Rhythmik, durch die sympathische Aura der Musiker manifestiert, vor allem der Sitarspieler wirkte. WHOW. Ich hab zwar nichts von der Musik verstanden, aber für die Art wollte ich mich jetzt immer interessieren. Es hat mir sehr gefallen.
Nun, es stellte sich raus, dass eine Namensverwechslung vorlag. Rainer dachte, der Rockgitarrist Robin Trower würde aufspielen. In der Tat war es aber Oregon, die  Gruppe von Ralph Towner .
Also, wer durch eine Verwechslung auf den Jazzgeschmack kam, lässt sich auch von dem Attribut Freejazz nicht abschrecken. Und dann noch ein japanisches Freejazz Trio.. Wenn schon denn schon.

Jetzt zum Konzert :

Da betreten 3 seriös anmutende Musikanten, keine Freaks, vom ebenen Seiteneingang des Freiburger Audimax den hohen Saal und begeben sich in die karg präparierte Mitte. Der Grundriss vom Audimax ist ja wie ein Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Figur-Längsschnitt. Der Kopf ist die Bühne, der Stehkörper ergibt aufsteigende Publikumsplätze. Eine schöne Anordnung. Man konnte um die Musiker rundumsitzen, dahinter halt auf dem Boden.
Auf der Bühne : Flügel, Mikrophone, Kabels. Applaus, und los gehts. 
Meine Herren ! Das geht ja extrem ab. Man kann sich unten mal "Clay" anhören. So war das. Aus der Ruhe ein Treffer voll auf die 12 kassiert. Man hat das Gefühl, jetzt ist es soweit, es schlägt 13. (Blos, was ist das für eine Uhr, die 13 schlagen kann..)
Clay : Stück von Yamashita, Muhammad Ali gewidmet. Dem Cassius Clay .. Man erinnert sich an die kraftvolle, in Stakkato Manier losgeschleuderte Einleitung. Erst der Drummer, dann etwas Saxophon melodisches, Großteil aber Alarm Rhythmik, laut, unbarmherzig, interessant. Das ging 30 Sekunden, die Einleitung. Der Rest des Abends war : Free. Es war nicht zum Davonlaufen. Es war faszinierend. Die Musiker ernsthaft, hochvirtuos. Bis an die Grenze. Kamikaze-Jazz. Yamashita spielte nicht nur mit den 10 Fingerlein.  Nein, Ellenbogen, Handrücken, die Fäuste wie ein Schmied auf den Flügel-Amboss. Der Klarinetten-Saxophonist kreischend, hell, Anklage und Aufschrei pur. Ich weis noch, beim ersten wie beim zweiten Konzert, ließen sich Publikumsindividualisten anstecken. Und kreischten mit  Sakata um die Wette.
Es fehlte nur noch, dass wir wie Koyama auf die Stühle getrommelt hätten. Aber wir wollten auch noch was sehen.

Das war schon ein großartiger Einblick in intensives Musizieren. Ekstatische Musik. Grenzerweiternde Erfahrung. Ich meine, wenn Jazzmusiker schon exzellent Improvisieren können, dann auch mal so richtig ! Ohne Kompromisse !


Nun Musikbeispiel. Vorsicht, Glas Wasser bereitstellen ! Und feuchten Waschlappen ! Zur Sicherheit !


Clay (Dedicated to Muhammad Ali) 15:15

Yamashita Trio - Clay

Date: June 2, 1974
Location: Live at the open-air III. New Jazz Festival in Moers, Germany.


Yosuke Yamashita - Piano Takeo Moriyama - Drums Akira Sakata - Clarinet & Alto Saxophone





              





Dann noch ein Video, weil es die Besetzung vom Freiburger Audimax hat, d.h. Shota Koyama on drums.
Und weil die Vorstellung der Band von Joachim-Ernst Berendt vorgenommen wird, mit seinem bekanntem Sound in der Stimme. III. Allgäuer Jazztage, SWR Produktion. Ca. 78/79.

Yosuke Yamashita Trio - LIVE in Leutkirch - 3. Allgäuer Jazztage






balduin highendschreck (hat das Video hochgeladen, schreibt) :
Der Auftritt war eine gewaltige Explosion an Energie.. Yosuke spielte da mit Fäusten und Ellenbogen auf dem Flügel rum ... Hammer .... viel Spass

Keiichi Sato kommentiert dort :
Wow, I've never heard of this recording. This is actually Yamashita's third trio (first, Yamashita, Moriyama, Nakamura, then Yamashita, Sakata, Moriyama and then Yamashita, Sakata, Koyama). They toured all around Europe in late 70's.

Kuch meint : This third Trio was two times in Audimax Freiburg. Unique !




Als Abschluss eine Aktion von Yosuke Yamashita, wieder was Extremes, 30 Jahre später :






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3 .


Als Miles Davis uns beim Jazzfest Berlin grüßte


Damals war es ja so, ab 1975 hat Miles nicht mehr gespielt. Gesundheitliches, ausgebrannt, eine veritable Krise. Seine letzte Veröffentlichung war das Live Album "Agharta" - Osaka - 75. Ein ungewöhnliches Album. Sphärischer Elektro Jazz Rock. Futuristisch. (bis heute ist es mir ein Rätsel, wie man an Stellen, wo die Musik Stille produziert, man keinen einzigen Live-Japaner hört. So dizipliniert sind sie auch nicht, dass man nicht die kleinste Regung hört. Die Musik gab Anlaß zu Zwischenapplaus. Aber siehe da, das Publikum ist in Trance .. ?
Also, keine neue Veröffentlichung ab 1975. Nur ein paar bereits eingespielte Sachen von früher, als Lückenfüller. Z.B. "Water Babies", Musik von 67 - 68, veröffentlicht 76. Oder "Circle in the Round", Musik von 55 - 70, veröffentlicht 79.   
Das muss man sich mal klarmachen, als Fan und Jazzliebhaber, der 1975 ja 15 Jahre alt war, dem vergehen  Jahr um Jahr, ohne dass man was hört von Miles. Wird er mal wieder die Trompete in die Hand nehmen ? Besteht irgendwann mal die Chance, ihn mit einer Band zu sehen ? In der Zwischenzeit war ich damit beschäftigt, die  Miles LP-Sammlung zu vervollständigen. Von ihm zu lesen, so wie es möglich war.
Dann 1980 hörte man was aus den Staaten, Miles probe, spiele wieder, mit seinem Neffen. 1981 wurde ein neues Album veröffentlicht : "The Man with the Horn" !  
Naja, das war jetzt nicht so der Hit, wir hatten aber Geduld mit unserem Rekonvaleszenten. Nach den Alben "We Want Miles" (82),  "Star People" (83) , durchaus respektable Musik, wir haben sie reglergerecht mit satter Lautstärke im Kulturkaffee der PH-Freiburg zum Besten gegeben, Kraftrock mit Jazz, lauter als im Konzert. Jaa, we want Miles muss man sehr laut hören.
Mein Entschluss war fest, Tommy der PH Trompeter war dabei, zwei oder drei andere Kumpels (André war dabei, der begnadete Gitarrist, der uns die Spielweise John Scofields voller Bewunderung erklärte..er spiele nicht auf den Takt, auf den Punkt, nein er spiele nach dem Punkt, und komme so langgezogen, lahm, genial rüber!).. waren auch bald überzeugt : Der nächste wahrnehmbare Termin in der Nähe von Freiburg war Miles Davis Konzert auf dem Jazzfest Berlin 29.10.83. Da mussten wir hin, wer weiß wo Miles anschließend rumgurkt, und wann vielleicht die nächste Auszeit droht. 
Wenn man sieht, dass Miles wieder renommierte Musiker hatte, Studio und Live, also da gabs doch keine Diskussion. Auf nach Berlin !
Ich muss sagen, meine dokumentarische, dramatische, spektakuläre  Ader dachte auch daran, dass der Aufttritt vom Jazzfest Berlin am Samstag immer im Fernsehen (ZDF) übertragen wurde. Ein Plattenladenbesitzer (Rimpo) versprach mir, die Sendung aufzunehmen. Jaa, man muss schon schauen, was man zur Historie beitragen kann..
Die Historie vor Ort sah aber ganz anders aus. Ich hatte ein Detail übersehen, und Karten für die 16 Uhr Session bestellt. D.h. wir waren nicht live im Fernsehen. Also mir hats gestunken. Die Konzerte waren gut, und irgendwie entwickelte sich ein spontaner Entschluss dank Müdigkeit. Hinter einer langen Schauwand für Fotos, noch vor dem Foyer, welche wir ausgiebig studierten, auch die Hintergründe, entdeckten wir genügend Platz. Wir stimmten uns leise ab, schwubs schwubs kletterte einer nach dem anderen unter den Tafeln durch. Unbemerkt. Wir wollten jetzt das Jazzfest Berlin nicht bescheißen, nein nein, wir wollten nur etwas schlafen, vor Ort. Und dann mal schauen, was passiert.
Irgendwann wachten wir auf, es war mit der Ruhe vorbei, neue Menschenansammlungen waren vernehmbar. Wir warteten noch etwas, zur Sicherheit, und kletterten hinter den Fototafeln hervor.
Wir fanden Platz und nahmen keinem einen weg. Wir sahen die drei Gruppen nochmal an. Diesmal war der Genuß noch größer, wir wussten, jetzt ist Fernsehübertragung.   

Der Abend in der Philharmonie präsentierte drei Gruppen :
1. Sun Ra Allstars
2. U. Shrinivas  
3. Miles Davis Band

(die traten auf im 3-er Pack, zweimal, am nachmittag und abend, ich hoffe die Reihenfolge stimmt)
(für uns war es also ein echtes Six-Pack)


Hier erstmal Miles Davis Konzert:D





Miles Davis - tp & keys Bill Evans - sax & fl John Scofield - g Robert Irving - keys Mino Cinelu - perc Daryl Jones - b Al Foster - dr

Jazzfest Berlin 29.10.1983




Wir schwenken nun zum wichtigsten Moment des Konzerts. Schließlich hatten wir Miles etwas mitgebracht. Er bedankte sich mit einer Armbewegung, kurz und cool. (Bei 47:58)
Hier der Direktlink :

Miles grüßt uns beim Jazzfest Berlin - ab Min 47:40 exakt 47:58


Für uns war es nicht nur eine Ehre, diesen großen Jazzer mit seinen formidablen Mitspielern genießen zu können. Auch von der Show her, dem Gehabe, Miles galt als schwierig, arrogant, unberechenbar. Er spiele immer mit dem Rücken zum Publikum. Aber in der Philharmonie war das gar nicht möglich. Er hätte sich auf den Bauch legen müssen. .. Und nun diese Reaktion von Miles auf unsere Mitbringsel von Freiburg Kaufhof. Ich sehe es als entschlossene Bestätigung unserer Aktivität. 
Für mich drückt Miles aus : "Gut Gemacht, Jungs !"

Das
D D





Zur ersten Band der Abends : 
Die Musiker der Sun Ra Allstars. Echt hochkarätig besetzt. Und der Auftritt :




Zum zweiten Auftritt des Abends, etwas ganz außergewöhnliches.
Master Srinivas Group in Berlin





Wir kannten diesen 14-jährigen Wunderknaben nicht. Er entfaltete, mit allen im Schneidersitz,
eine klassische indische beruhigende hochvirtuose erweiternde Musik. Die zauberten eine andere Welt in die Philharmonie. Was der Kleine spielen konnte, herzzerreißend. Er hatte einen Guru dabei, der nur den Takt am Boden schlug und mit Blickkontakten den Srinivas unterstützte. Dieser hatte etwas zerbrechliches. Irgendwie war er nicht von dieser Welt.
Und jetzt kommts : Ich las später von John McLaughlin, dass er Shakti wiederaufleben lassen wollte.
Shakti gab es 1975 -  1977. John McLaughlin und Shankar (viol) mit Ost- Westlicher Akustik-Fusion. Weltmusik noch niemals dagewesen. Ich hörte das erste Shaktialbum zum erstenmal im Radio, Haslach, Garten, Blick auf Schönberg:
John McLaughlin sagt am Anfang des Stücks "Joy" : "Good Evening, Friends. Thank You For That Warm Welcome." Und dann gings ab wie die Feuerwehr ! Diese Gruppe wollte ich immer mal live sehen. Aber nach 3 Jahren war sie aufgelöst, schade, verpasst, es gab nicht die Gelegenheit, es hat nicht sollen sein, ich hätt nach Bombay fliegen sollen,  man kann nicht alles haben...
Ca. 20 Jahre später sollte John McLaughlin wieder Shakti auf die Beine stellen. Aber er fand Shankar nicht. Den Violonisten. Verschollen. Daaa erinnerte er sich an diesen jungen Mandolinenspieler Srinivas, den er in Berlin, war es 83 ??, jaa, es war 83 !! ..in einem Miles Davis Konzert gesehen hatte. Und siehe da, die Fortsetzung von Shakti, Bandname "Remember Shakti" wurde auf die Beine gestellt (1999 mit dem Bansuri-Flötisten  Chaurasia, was für eine betörende Musik für die Ewigkeit)..ab 2000 mit U. Srinivas auf der elektrischen Mandoline !! 
Das 1983 14-jährige Mandolinen-Genie Srinivas starb jung, mit 45 Jahren.

Was bedeutet das ganze jetzt ? Für mich ?
Ich sags mal so..wir haben nicht nur den richtigen Zeitpunkt für ein Miles Konzert wahrgenommen. Auch John McLaughlin hat das richtige Konzert gewählt. Dafür dürfte er uns ewig dankbar sein.. Ich vermute mal stark, dass er bei denen war, die unsere Luftschweber  mit angestoßen haben. (47:40)
Unter gestrenger Beobachtung von Miles Davis. Das ist das richtige Wort zum Schluß : "Angestoßen" .
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